„Das Thema Giftpflanzen wollte ich [in meinem Buch] erst gar nicht erwähnen, weil ich dachte, dann kann sich niemand mehr für die wunderbar heilsame Welt der Pflanzen öffnen. Ich habe mich anders entschieden, da diese Thematik doch sehr präsent ist und offenbar viel angstschürendes Halbwissen kursiert. Aufgrund dessen bin ich in die Toxikologie und Pharmakologie der Veterinärmedizin eingestiegen.“ [1]
Was ist Gift?
„In einem Reichsgerichtsurteil vom 14.01. 1884 wurde zum Thema Gift festgehalten: Eine Substanz, welche lediglich durch ihre qualitative Beschaffenheit unter allen Umständen geeignet wäre, die Gesundheit zu zerstören, existiert nicht. Die gesundheitszerstörende Eigenschaft ist vielmehr eine relative; sie ist nicht bloß von der Qualität, sondern auch von anderen Bedingungen, insbesondere von der Quantität des beigebrachten Stoffes und von der körperlichen Beschaffenheit der Person, welcher derselbe beigebracht worden ist, abhängig.“ [2]
„Das bedeutet, dass es keine Substanz gibt, die allein aufgrund ihrer Qualität und Inhaltsstoffen toxisch wirkt, sondern dass es auf die Menge des Stoffes sowie den körperlichen Zustand des Menschen oder Tieres ankommt.
Auf diesem Urteil basieren auch heute noch fundamentale Konzepte der Toxikologie und werden von den Thesen des Arztes und Alchemisten Theophrastus Bombastus von Hohenheim (Paracelsus) untermauert. „Alle Dinge sind Gift und nichts (ist) ohne Gift, allein die Dosis, macht dass ein Ding kein Gift ist.“ (Paracelsus, 1538). Die Definition bedeutet, dass es von jedem Stoff eine Dosis gibt, die nicht giftig ist. Die Giftwirkung ergibt sich, wenn eine gewisse Schwellenkonzentration überwunden wurde. Dies geschieht bei Aufnahme einer größeren Menge akut oder schleichend über längeren Zeitraum. Die Wissenschaft geht heute lediglich bei krebserregenden Stoffen davon aus, dass auch ein einziges Molekül eine kritische DNA Mutation auslösen kann und damit die Bildung eines Tumors auslösen könnte.“ [3]
Was bedeutet das nun hinsichtlich Giftpflanzen und Pferde ?
Es gibt sie, die Beobachtungen, dass Pferde als giftig geltende Pflanzen essen. In einem meiner Artikel sowie im Buch schreibe ich z.B. vom Adlerfarn zur Entwurmung, der in zu hohen Dosen durch die enthaltende Thiaminase (Enzyme) das Vitamin B1 (Thiamin) im Körper zerstört. Aus Angst, diese „zu hohe Dosis“ zu erreichen, geraten ganze Stallgemeinschaften in Streit, wenn auch nur ein Exemplar dieser Pflanze auf der Koppel wächst.
Wusstest du, dass Hafer zu den belastetsten Futtermitteln gehört, da er diverse Toxine bindet?
Machst du dir darüber Gedanken, wenn du Hafer verfütterst?
Wieso gibt es so viele schwammige Aussagen zu dieser „Giftthematik“ und auch viele Horrorstorys? Es wäre doch viel einfacher, eine Tabelle zu haben, in der verzeichnet ist, wie viel von welcher Pflanze toxisch wirkt. Doch so einfach ist das eben nicht.
So steht auch im Lehrbuch der Toxikologie und Pharmakologie der Veterinärmedizin: „Im Allgemeinen ist die Pflanzentoxizität eine schwierig einzuschätzende Eigenschaft, denn der Wirkstoffgehalt unterliegt in qualitativer wie auch in quantitativer Hinsicht beträchtlichen Schwankungen.“ [4]
Wieso essen Pferde überhaupt zu viel von Pflanzen, die ihnen schaden können, wenn sie doch eigentlich über intakte Instinkte verfügen sollten?
Die Szene der „Pferdebeobachter“ hinsichtlich Nahrungsaufnahme, Verhalten, usw. wächst stetig und so häufen sich auch die Erfahrungsberichte hinsichtlich „Giftpflanzen“. Hier zeichnet sich deutlich ab, dass Pferde mit viel Platzangebot und einem sehr abwechslungsreichen Nahrungsangebot sowie entsprechend Mineralien inmitten von teils „tödlich giftigen“ Pflanzen (wie z.B. Eibe oder Fingerhut) leben, ohne diese überhaupt anzurühren oder maximal daran zu knabbern. Hinzu kommt, dass von „giftigen Pflanzen“ nicht immer alle Bestandteile toxisch wirken, die Jahreszeit, usw. spielen auch eine Rolle. Doch es gibt auch Berichte von Pferden, die sich an Pflanzen vergiften, weil sie zu viel davon aufgenommen haben. Wie kommt das?
Um das herauszufinden, müssen wir zunächst einmal in der Lage sein, die Dramatik auszuklammern, die mit dem Verlust eines Tieres einhergeht. Ich war von so etwas schon selbst betroffen, wobei in meinem Fall die Vermutung einer gezielten Vergiftung sowie die Aufnahme von verdorbenem „Wickelheu“ als Ursache ungeklärt im Raum steht und nicht die freiwillige Aufnahme von Giftpflanzen. Dennoch weiß ich um die Angst und den Schmerz, der sich um eine Vergiftung rankt und einen selbst lähmt.
Also stellen wir uns folgende Fragen:
- Welche Pflanzen hat das Pferd in welchem Kontext aufgenommen?
- Wie sind seine Lebensbedingungen?
- Wie steht es um seine allgemeine Gesundheit (körperlich, seelisch, geistig)?
- Bestehen möglicherweise Mangelerscheinungen?
Nach meinen neusten Erkenntnissen und Beobachtungen stelle ich zudem fest, dass die Auswahl an spezifisch gewählten Kräutern sich verändert, wenn wir Schmerzen, Spannungen und Blockaden aufgelöst haben und zielgerichtet das Pferd dahingehend unterstützen, seine verschlissenen Rumpfträger wieder zu mobilisieren und anschließend zu stabilisieren.
Als Beispiel fällt mir hier sofort meine Ponystute Jade ein, die in all der Zeit in der sie bei mir lebte, immer auf der gezielten Suche nach entkrampfenden Kräutern war. Stand der Beifuß in Blüte, aß sie so viel davon wie sie bekommen konnte. Voll im Vertrauen ließ ich sie essen, dennoch wiederholte sich das Ganze Jahr für Jahr. Ich konnte sie dann zwar gezielt noch weiter unterstützen, aber die Ursache für ihre Probleme mit Bauchkrämpfen behob sich nicht von alleine. Ich dachte damals, dass es ja toll sei, wie sie sich dann selbst zu helfen weiß und kam erst kurz vor ihrem Tod auf die ganzen Zusammenhänge. Z.B. biss sie immer die Zähne zusammen, ihren ganzen Kiefer- und Kopfgelenke waren total angespannt, sie hielt sich im Rumpf fest, was eine flache Atmung zur Folge hatte und eine angespannte Magen-Darm-Funktion. Wieso konnten die Kräuter das nicht auflösen? Weil ihre Rumpfträger durch zahlreiche Fohlen als Zuchtstute ausgeleiert waren. Das war die Ursache. Der Thorax hing im Verschleiß, dazu war die Lende fest und das ganze Pony war verhärtet. Nicht in ihrem Wesen, ganz und gar nicht, aber in ihrem Körper.
Für heute soll es dazu genug sein, aber die Thematik ist groß und es folgen sicherlich noch weitere Artikel. In meinem Buch widme ich dieser ein ganzes Kapitel inkl. der Entmystifizierung des „Steinklees“, der je nach Internetseite als giftige Pflanze gilt.
Übrigens möchte ich an der Stelle noch die Datenbank Giftpflanzen empfehlen:
[1,3] Zitate aus: Ganzheitliche Pflanzenkunde im Jahresverlauf für Pferdehalter I Vanessa Michels I ePubli Verlag
[2] Zitat aus: Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie für die Veterinärmedizin , Hrsg. Hasso Fray & Wolfgang Löscher, 3. vollst.überarb. Auflage, 2010 Enke Verlag. Seite 599
[4] Zitat aus dem Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie für die Veterinärmedizin, Hrsg. Frey/Löscher, 3. Auflage, 2010 Enke Verlag, S.632